Hannover, 9.6.2024
Im Februar wurde Ursula von der Leyen von der CDU zur Spitzenkandidatin für eine weitere Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin ernannt. „Ursula von der Leyen führte Europa sicher durch stürmische Zeiten“, heißt es in einer öffentlichen Mitteilung der CDU. Krisen prägten ihre Amtszeit - Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine, Energiekrise und Inflation, … . Dank Frau von der Leyen ist die EU in dieser schwierigen Zeit zusammen geblieben und das ist das große Verdienst der EU-Kommission und von Ursula von der Leyen, heißt es weiter.[1] Aber wie gut ist die EU als Krisenretter? Eine Aufarbeitung mit Daten und Fakten:
Ausgewogenes Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Preisstabilität und sozialer Fortschritt gehören zu den Zielen, die sich die Europäische Union laut EU-Vertrag gesetzt hat. Bekräftigt wird dies durch verschiedene weitere Verträge und Programme wie dem Stabilitäts- und Wachstumspakt, der „Agenda 2000“ und der Wachstums-Strategie „Europa 2020“.[2-5] Die jüngsten Erfahrungen mit leeren Regalen, Inflation, Energieknappheit und Energiesparmaßnahmen passen dazu wenig. Inwieweit sind die EU-Institutionen und insbesondere die von Ursula von der Leyen geführte EU-Kommission für die Probleme verantwortlich?
Als im Jahr 2022 das allgemeine Preisniveau in Deutschland und der EU auf ungeahnte Höhen stieg, wurde dies in erster Linie mit dem eskalierenden Ukraine-Konflikt in Verbindung gebracht. Ein Blick in die Daten zeigt jedoch, dass es für diese Entwicklung eine andere Ursache geben muss. So sieht man deutlich, dass der Anstieg des Preisniveaus schon Anfang des Jahres 2021 begann und sich anschließend im Jahr 2022 kontinuierlich fortsetzte, bis das Preisniveau gegen Ende 2022 seinen Höhepunkt erreichte. Da der Anstieg der Preise für Vorprodukte früher einsetzte als für Enderzeugnisse, bekam der Endverbraucher und damit die breite Öffentlichkeit das Ausmaß der Inflation erst verzögert zu spüren.
Angesichts dieser Entwicklung scheint der alleinige Bezug zum Ukraine-Konflikt natürlich fraglich. Eine ganz andere Erklärung findet man zum Beispiel auf der Webseite einer Schweizer Investmentgesellschaft, die sich mit dem Problem der Inflation befasst. Hier liest man: „Die Zentralbanken auf der ganzen Welt haben die Geldmenge seit Anfang 2020 aufgrund der Covid-19 Pandemie extrem ausgedehnt. Ende 2020 gab es z.B. rund 25 Prozent mehr US-Dollar als noch Anfang Jahr. Je mehr Einheiten einer staatlichen Währung vorhanden sind, desto weniger ist jede einzelne Einheit wert. Es findet eine Verwässerung der Kaufkraft statt. Gleichzeitig entstanden weltweit aufgrund der Covid-Pandemie Lieferengpässe. Viele Güter wurden knapp und deshalb teurer, verursachten hohe Kosten und bremsten das Wirtschaftswachstum. Dies war das perfekte Umfeld für den raschen Anstieg der Inflation in den USA und Europa im Jahr 2021".[6]
Zu derselben Einschätzung kommt der ehemalige Präsident des Ifo-Instituts, Prof. Hans-Werner Sinn, der neben den Störungen der Lieferketten und der Geldmengenausweitung auch die Konjunkturprogramme als Ursache sieht. Die „pandemiebedingte Verknappung“ ist in seinen Augen der Haupttreiber - im Zusammenspiel mit staatlichen Konjunktur- und Ausgabenprogrammen, was in seinen Augen nicht zusammenpasst: „Man kann nicht die Nachfrage erhöhen, wenn das Angebot verknappt ist und man gleichzeitig die Fabriken zumacht, das passt nicht zusammen und das erzeugt eine Inflation.“[7]
Seit Anfang 2021 geht in der EU der Verbraucherpreisindex steil nach oben.
Quelle: Eurostat, Statistisches Bundesamt (Destatis) [8]
Seit dem 2. Quartal 2020 gibt es in der EU und im Euroraum einen Anstieg der Erzeugerpreise.
Quelle: Eurostat [9]
Seit dem 2. Quartal 2020 gibt es in Deutschland einen Anstieg der Einfuhr- und Erzeugerpreise.
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) [10]
Die EU und insbesondere die Kommission waren an dieser Politik nicht unbeteiligt. So setzte die Kommission im Frühjahr 2020 die regulären Haushaltsregeln aus dem Stabilitäts- und Wachstumspaktaußer Kraft und sendete somit das Signal an die Mitgliedstaaten, sich unbegrenzt zu verschulden. Die Staatsverschuldung stieg in der Folge EU-weit stark an - von rund 80 auf über 90 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zusätzlich zu den staatlichen Ausgabenprogrammen gab es dann noch die eigens von der EU beschlossenen Finanzhilfen „Next Generation EU“ und „MFR“ im Umfang von insgesamt 1,8 Billionen Euro. Gemäß Internationalem Währungsfonds gab die EU in diesem Zusammenhang rund 428 Milliarden Euro plus Liquiditätshilfen, wie Kredite und Bürgschaften, in Höhe von schätzungsweise 765 Milliarden Euro aus.[11-15]
Immerhin setzte sich die EU-Kommission gegen die von Mitgliedstaaten verhängten Einschränkungen des grenzüberschreitenden Verkehrs ein, schuf jedoch mit ihren anschließend umgesetzten Vorschlägen zu den Freizügigkeitsregeln und dem COVID-Zertifikat Anreize zu den anlasslosen Massentests mit fragwürdigem medizinischem Nutzen, die dann als Begründung für die Weiterführung der Corona-Maßnahmen dienten.[16-25]
Interessant ist auch ein Blick in die Tätigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) in jener Zeit. So hat die EZB im Rahmen verschiedener Programme, wie dem „Pandemic-Emergency-Purchase-Programme“, die Zentralbankgeldmenge stark ausgeweitet von etwa 3,1 Billionen Euro Anfang 2020 auf über 6 Billionen Euro im Dezember 2021. Eine Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sieht hierin einen Zusammenhang zu der anschließenden Inflation. In seinem 2021 erschienenen Buch „Die wundersame Geldvermehrung“ erläutert Prof. Hans-Werner Sinn, welche weiteren Gefahren noch in der ausufernden Geldpolitik schlummern.[26-30]
Zwischen 2020 und 2022 stieg die Menge des Zentralbankgeldes stark an.
Quelle: ECB Data Portal [31]
Dies alles geschah natürlich vor dem Hintergrund einer vermeintlichen Notlage, wie sie ja von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entsprechend festgestellt wurde. Allerdings hat die WHO selbst nie derartig einschneidende Maßnahmen empfohlen und sich sogar davon distanziert.[32] Während bekannterweise einige Experten voreilig Evidenz für die Lockdown-Maßnahmen sahen, gab es jedoch auch schon früh gegenteilige Feststellungen.
Eine Studie des Freiburger Ökonomen Bernd Raffelhüschen kam Mitte 2020 zu dem Ergebnis, dass durch den Lockdown in Deutschland in der Summe weit mehr Lebensjahre verloren gingen als bewahrt wurden. Eine ganze Reihe von Studien kommt zu dem Ergebnis, dass Lockdowns wenig bis gar keinen Einfluss auf die Covid-Sterblichkeit hatten. Andere Studien wiederum kommen zu dem Ergebnis, dass Lockdowns im Gegenteil zu einer höheren Sterblichkeit führten - ein Ergebnis, das wohl gut zur Situation in Deutschland passt. Wie die deutsche Statistik zeigt, stieg auch dort die Sterblichkeit im Anschluss an den Lockdown-Beschluss im Frühjahr 2020 an. Sollten die Lockdowns jedoch wie behauptet wirken, wäre wohl das Gegenteil zu erwarten gewesen. Vernachlässigung in der Pflege infolge der Isolation ist eine von vielen möglichen Erklärungen.[33-39]
Nach Verhängung des bundesweiten Lockdowns am 22. März 2020 steigen in Deutschland die Sterbefallzahlen.
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), Ausschnitt, ergänzt um Zeitangabe zum Lockdown [40]
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Maßnahmen konnten also zunächst durch Ausgabenprogramme abgemildert werden, wurden jedoch kurze Zeit später in Form von Inflation sichtbar. Die Anhäufung von Zentralbankgeld birgt in dieser Hinsicht vermutlich noch weitere Risiken. Das ist umso bedauerlicher, als die medizinische Evidenz für die getroffenen Maßnahmen durch etliche Studien oder auch durch einfachen Vergleich mit Staaten ohne Maßnahmen in Frage gestellt ist.
Die EU-Institutionen, einschließlich der von Ursula von der Leyen geführten Kommission, haben die wirtschaftlichen Verwerfungen durch ihre Beschlüsse mit verursacht. Der Politikwissenschaftler Martin Große Hüttmann ist sogar der Meinung, dass Europäischer Rat und EU-Kommission die treibenden Kräfte in der Pandemie-Politik waren und die Parlamente in der Krisenpolitik eine Nebenrolle spielten.[41] Dass die CDU die amtierende Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur EU-Spitzenkandidatin nominiert, beweist aufs Neue ihre Ablehnung gegenüber einer Aufklärung der Corona-Politik. Für eine demokratische Partei ein Armutszeugnis. Man wird sehen, wie lange diese Haltung trägt.
Hans-Werner Sinn spricht im Interview mit dem Schweizer Monat über die Ursachen der Inflation in der EU. Haupttreiber ist die "pandemiebedingte Verknappung" in Kombination mit Ausgabenprogrammen und Geldvermehrung: "Man kann nicht die Nachfrage erhöhen, wenn das Angebot verknappt ist und man gleichzeitig die Fabriken zumacht, das passt nicht zusammen und das erzeugt eine Inflation."
Hans-Werner Sinn: „Die wundersame Geldvermehrung“, Herder Verlag, 2021
Gunter Frank: „Das Staatsverbrechen“, Achgut, 2023
[1] https://www.cdu.de/artikel/cdu-nominiert-ursula-von-der-leyen
[2] Vertrag über die Europäische Union, Artikel 3, Abs. 3, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:12016ME/TXT
[3] Agenda 2000: Eine stärkere und erweiterte Union, https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/agenda-2000-for-a-stronger-and-wider-union.html
[4] Europa 2020: die Strategie der Europäischen Union für Wachstum und Beschäftigung, https://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/summary/europe-2020-the-european-union-strategy-for-growth-and-employment.html
[5] https://www.europarl.europa.eu/summits/lis1_de.htm#I
[6] https://realunit.ch/inflationsschutz/
[7] Hans-Werner Sinn im Interview mit dem Schweizer Monat: "Das ist wie bei einer Droge mit Entzugserscheinungen", https://www.youtube.com/watch?v=F1oI3_C6BYI
[8] https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Wirtschaft-Finanzen/Inflation.html
[9] https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-euro-indicators/w/4-06052024-ap
[10] https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/_Grafik/_Interaktiv/preisindizes-ab-1970.html
[11] https://www.welt.de/wirtschaft/article231497067/EU-Schuldenregeln-Dank-Corona-bleibt-Stabilitaetspakt-ausgesetzt.html
[12] https://ec.europa.eu/eurostat/cache/dashboard/european-statistical-monitor/
[13] https://www.consilium.europa.eu/de/policies/coronavirus-pandemic/#recovery
[14] "Geld- und Fiskalpolitik in der EU unter veränderten geopolitischen Bedingungen: Was wird aus der Europäischen Währungsunion?", Clemens Fuest, https://www.ifo.de/DocDL/sd-2022-06-fuest-etal-reform-schuldenregeln-eurozone.pdf
[15] Internationaler Währungsfonds (2021), "Fiscal Monitor Database of Country Fiscal Measures in Response to the COVID-19 Pandemic", Oktober 2021, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Fiscal-Policies-Database-in-Response-to-COVID-19
[17] Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020XC0316(03)&from=DE
[20] Empfehlung des Rates vom 13. Oktober 2020 für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32020H1475
[21] Verordnung der EU zum digitalen Covid-Zertifikat: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32021R0953
[22] https://www.aerzte-fuer-aufklaerung.de/pcr-test/
[23] https://www.mwgfd.org/2023/01/wichtiges-gutachten-zur-untauglichkeit-des-pcr-tests/
[24] https://www.aerzteklaerenauf.de/pcr-test/index.php
[26] "Geld- und Fiskalpolitik in der EU unter veränderten geopolitischen Bedingungen: Was wird aus der Europäischen Währungsunion?", Clemens Fuest, https://www.ifo.de/DocDL/sd-2022-06-fuest-etal-reform-schuldenregeln-eurozone.pdf
[27] Hans-Werner Sinn, "Corona und die wundersame Geldvermehrung in Europa", https://www.youtube.com/watch?v=L-dCADYr2AM
[28] Das Comeback der Geldmenge, Jörg Krämer, https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=35748
[29] „Does money growth help explain the recent inflation surge?“, Claudio Borio, Boris Hofmann and Egon Zakrajšek, 2023, BIS Bulletin, https://www.bis.org/publ/bisbull67.pdf
[30] Hans-Werner Sinn, "Die wundersame Geldvermehrung", Herder Verlag, (2021), Freiburg
[31] Base money, Euro area, ECB Data Portal, https://data.ecb.europa.eu/data/datasets/ILM/ILM.M.U2.C.LT00001.Z5.EUR
[33] "Verhältnismäßigkeit in der Pandemie: Geht das?", Bernd Raffelhüschen, doi.org/10.15358/0340-1650-2020-10-33, https://www.beck-elibrary.de/10.15358/0340-1650-2020-10/wist-wirtschaftswissenschaftliches-studium-jahrgang-49-2020-heft-10?page=13
[35] Covid-19 Mortality: A Matter of Vulnerability Among Nations Facing Limited Margins of Adaptation, 19 November 2020, doi: 10.3389/fpubh.2020.604339
[36] Lockdown Effects on Sars-CoV-2 Transmission – The evidence from Northern Jutland, January, 2021, https://doi.org/10.1101/2020.12.28.20248936
[37] https://report24.news/metastudie-der-johns-hopkins-universitaet-lockdowns-waren-weltweit-sinnlos/,
[38] https://www.washingtontimes.com/news/2021/jun/30/covid-19-lockdowns-caused-more-deaths-instead-of-r/ mit Verweis auf "The Impact of the COVID-19 Pandemic and Policy Responses on Excess Mortality", https://www.nber.org/papers/w28930
[39] Stiftung Corona Ausschuss, Sitzung 2: Die Lage der Menschen in den Pflegeheimen, https://odysee.com/@SCA-Video-Backup-Unofficial:a/02-Die-Lage-der-Menschen-in-den-Pflegeheimen-totaal-1:6
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